Hehre Hülsenfrüchte (Teil 1): Von wegen nicht die Bohne

Die UNO hat 2016 zum internationalen Jahr der H¨¹lsenfr¨¹chte erkoren. Doch warum geb¨¹hrt diesen Fr¨¹chten derartige Ehre? Erbse, Bohne, Linse und Co bergen das Potenzial, die globale Landwirtschaft schonend zu intensivieren. Sie verdienen es darum klar, dass wir uns st?rker f¨¹r sie interessieren.

Vergr?sserte Ansicht: Offene Erbsenschote.
Offene Erbsenschote. (Bild: Nessi / Colourbox)

H¨¹lsenfr¨¹chte sind die Fr¨¹chte der Pflanzen der botanischen Familie der Fabaceen, auch Leguminosen genannt. Sie sind die drittgr?sste Pflanzenfamilie der Welt ¨C nach den Orchideen und den Korbbl¨¹tlern ¨C und enorm vielf?ltig: Manche ihrer Arten sind wundersch?n und empfindsam wie etwa die Mimosen. Andere sind wichtige Protagonisten unserer Agrarwirtschaft, wie Soja, Erbse, Linse und eben die diversen Bohnen. Dennoch interessieren wir uns wenig f¨¹r sie ¨C zu wenig aus Sicht der FAO, die daher 2016 zum Jahr der H¨¹lsenfr¨¹chte ausgerufen hat. [1] Die wahre St?rke der H¨¹lsenfr¨¹chte ist f¨¹r uns nicht einfach zu erfassen. Nicht ihr Ertrag, ihre Sch?nheit oder ihre Macht, sondern ihre verborgenen inneren Werte machen sie aus. Die H¨¹lsenfr¨¹chte sind nicht die Kennedys, Windsors oder Kardashians der Pflanzenszene, sondern eher die Gandhis. Sie sollten uns deswegen interessieren, weil sie uns eine nachhaltigere Landwirtschaft mit schonender Intensivierung versprechen.

Das Erfolgsgeheimnis der H¨¹lsenfr¨¹chtler

Nahezu alle Mitglieder der Fabaceen k?nnen eine Symbiose mit Bakterien eingehen, die sie von der normalen, beschwerlichen Versorgung mit Stickstoff befreit. Klingt nach Askese, erlaubt aber grosse Freiheit. Stickstoff ist ein essentieller N?hrstoff f¨¹r Pflanzen, der in unserer ?industrialisierten? Landwirtschaft in Form von Ammoniumnitrat oder ?hnlichen mineralischen Verbindungen meist im ?bermass dem Boden zugegeben wird, was zu Umweltproblemen f¨¹hrt, w?hrend er in den  B?den der tropischen Landwirtschaft fehlt. Stickstoff ist nur eines von ¨¹ber einem Dutzend mineralischer N?hrelemente, die Pflanzen f¨¹r ihr Wachstum ben?tigen, aber es ist f¨¹r die meisten Pflanzen das Wichtigste; das, von dem die gr?ssten Mengen erforderlich sind.

Partnerschaft mit Stickstoff-bindenden Bakterien

Wurzelknöllchen
Wurzelkn?llchen (Nodien). (Bild: Frank Vincentz / Wikimedia Commons)

Durch die Symbiose mit Bakterien vor allem der Gattung Rhizobium schaffen es die Leguminosen, eine andere Stickstoffquelle f¨¹r sich zu erschliessen: Molekularen Stickstoff (N2), der in der Luft in rauen Mengen vorhanden, aber f¨¹r normale Pflanzen nicht verwertbar ist. Die Bakterien k?nnen N2 mit speziellen Enzymen in Ammonium umwandeln. Hierf¨¹r verwachsen sie mit Wurzelzellen der Pflanzen und bilden dort kleine ?Nodien? ¨C Kn?llchen von wenigen Millimetern Durchmesser, die zu tausenden aus den Wurzeln herausragen wie die Enden eines ¨¹berdimensionalen, fragilen Geweihs. So kommen die Nodien mit der Luft der Bodenporen in Kontakt, um N2 aufzunehmen. Nach der Umwandlung gelangt das nun verwertbare Ammonium in den Stoffwechsel der Pflanzen. Da es sich um eine Symbiose, also eine partnerschaftliche Zusammenarbeit handelt, bekommen die Bakterien auch einen anst?ndigen Lohn daf¨¹r: Die Pflanze versorgt sie f¨¹r jedes Gramm Stickstoff mit etwa zehnmal so viel Kohlenstoff, den sie aus ihrer Photosynthese abzweigt.

Proteinspender und ?berlebensk¨¹nstler

Rote Bohnen
Bohnen erlauben eine ausgewogene Ern?hrung. (Bild: Sayan Samana / Colourbox)

Diese eintr?gliche Partnerschaft nutzen die Familienmitglieder der Fabaceen f¨¹r unterschiedliche Zwecke. Manche haben sich zu ?Hungerk¨¹nstlern? entwickelt, die insgesamt nur wenig Stoffliches aus dem Boden extrahieren m¨¹ssen ¨C man findet daher in dieser Familie Arten wie den Palo Verde Baum in den W¨¹sten der USA, der mit wenig Wasser in den sandigen B?den gedeiht, wo sonst nur Kakteen ¨¹berleben k?nnen. Andere Arten haben sich darauf spezialisiert, ihren Nachkommen m?glichst viele Speicherstoffe in Form von Proteinen mitzugeben. Proteine sind aus Aminos?uren aufgebaut, die wiederum einen hohen Stickstoffanteil haben. H¨¹lsenfr¨¹chtler, die diese Strategie verfolgen, domestizierte der Mensch wegen ihrer proteinreichen Samen bereits fr¨¹h in der Geschichte. Vor allem im heutigen Indien und China gibt es daher viele Arten und Sorten von Bohnen, wie die Mungbohne oder Adzukibohne.

Warum uns Bohnen begeistern sollten

Es sind diese einj?hrigen K?rnerleguminosen (im englischen ?pulses¡® genannt), die die FAO 2016 etwas mehr ins Zentrum des weltweiten Interesses r¨¹cken m?chte. Ihre Samen, die zu mehreren hintereinander in den namengebenden H¨¹lsen heranwachsen, haben mit ihrem Proteinreichtum das Zeug dazu, eine ausgewogene Ern?hrung auch ohne Fleischkonsum zu erm?glichen. Ihr Anbau kann in der Regel ohne Zufuhr von mineralischem Stickstoff geschehen und ist daher per se mit weniger sch?dlichen Nebenwirkungen verbunden. Fruchtfolgen profitieren stark vom Einsatz von H¨¹lsenfr¨¹chten alle paar Jahre: Da nach der Ernte eine stickstoffreiche Wurzelstruktur als Humus im Boden verbleibt und da das ?Basisdepot¡® des Bodens an Stickstoff nur wenig beansprucht wird, hat auch die nachfolgende Kultur noch etwas von der vormaligen Zusammenarbeit zwischen Bohne und Bakterium.

Mehr H¨¹lsenfr¨¹chte f¨¹r die Welt!

Vergr?sserte Ansicht: Die Welt aus Hülsenfrüchten.
Die Welt aus H¨¹lsenfr¨¹chten. (Bild und Illustration: Franziska Schmid / ETH Z¨¹rich)

All dies sind gute Gr¨¹nde daf¨¹r, sich einen umfangreicheren Anbau von H¨¹lsenfr¨¹chten in nahezu allen Teilen der Welt zu w¨¹nschen. Dabei sollte uns nicht nur ?die Bohne¡® interessieren, sondern auch ihre Verwandten Erbse, Soja, Lupine, Linse, Erdnuss, Klee und wie sie alle heissen (um Soja dreht sich ¨¹brigens der zweite Teil dieser Miniserie). Wenn wir als Konsumentinnen und Konsumenten die Nachfrage f¨¹r diese Produkte erh?hen, w?re die Welt etwas mehr Gandhi und weniger Kardashian.

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